11:20 - 11:40Lessons Learned bei der Injektionsbohrung Schwerin
Paul Wagner, Frank Hoffmann
Geothermie Neubrandenburg GmbH, Deutschland
Im Dezember 2018 wurde die erste Bohrung der geothermischen Dublette in Schwerin-Lankow, die Förderbohrung Gt S 6/17, als seigere Bohrung abgeteuft und Anfang 2019 erfolgreich getestet. Der hierbei erschlossene Zielhorizont war ein Sandsteinpaket aus dem obertriassischen Postera-Sandstein. Im Winter 2020/21 folgte die zweite Bohrung Gt S 7/20, welche zukünftig als Injektionsbohrung fungieren soll.
Die zweite Bohrung und der dazugehörige Bohrplatz befinden sich am Sportpark Lankow und somit ca. 900 m entfernt vom Ansatzpunkt der Förderbohrung. Um jedoch eine nachhaltige Nutzung des Thermalwasserreservoirs zu gewährleisten, ist ein Abstand der Landepunkte zwischen beiden Bohrungen innerhalb des Zielhorizonts von mindestens 1.100 m notwendig. Zum Erreichen dieser Distanz wurde die Injektionsbohrung als sogenannte S-Bohrung doppelt gerichtet ausgeführt. Der horizontale Abstand zwischen Ansatz- und Landepunkt beträgt ca. 220 m.
Eine weitere Besonderheit des Bohrplatzes der zweiten Bohrung war die unmittelbare Nähe zu Wohngebäuden. Schon in 150 m Entfernung befinden sich diverse Mehrfamilienhäuser, wodurch ein aufwendiges Schallschutzkonzept notwendig wurde. Zu der ständigen Schallschutzausrüstung gehörte eine vollständige Einhausung der Hydraulikaggregate und des Gestängelagers sowie eine 10 m hohe Lärmschutzwand um den Bohrplatz.
Schon in der Planungsphase war bekannt, dass es sich beim Postera-Sandstein um einen fein- bis mittelsandigen und zum Teil schwach verfestigten Sandstein handelt. Diese wurde durch eine ca. 100 m lange Kernstrecke bestätigt. Diese Kernstrecke umfasste sowohl den Postera- als auch den Contorta-Sandstein. In einem solchen Reservoir sind einfache, konventionelle Geothermie-Komplettierungen wie Open-Hole oder Slotted-Liner nicht möglich, da es dabei zu erheblicher Sandproduktion und Bohrlochstabilitätsproblemen kommen kann. Wie bereits in der Förderbohrung wurde aus diesem Grund eine Gravel-Pack-Komplettierung zusammen mit einem Wickeldrahtfilter geplant und installiert. Bis Oberkante Speicher wurde eine 9 5/8“ Rohrtour eingebaut. Der Einbau dieser Rohrtour setzte voraus, dass das bereits aufgeschlossene Reservoir wieder aufgekiest werden musste, um es vor einer Schädigung durch Zementinvasion zu schützen. Vor Installation der Filtergarnitur und des Gravel-Packs (Quarzkies) wurde die Spülung auf tonfreie und speicherschonende Salzsuspension gewechselt. Mit dieser Spülung wurde anschließend das 8 1/2“ Bohrloch mit einem Spezialwerkzeug auf 15“ unterschnitten.
Während der Bohrarbeiten und beim Profilerweitern der Kernstrecken kam es zu Stuck-Pipe-Problemen. Der Strang konnte wieder befreit werden, jedoch stellten diese Probleme ein erhebliches Risiko für das Projekt als Ganzes dar. Wie diese Stuck-Pipe-Probleme in Zukunft verhindert werden könnten und wie man die verschiedenen Arbeitsschritte optimiert, soll im Folgenden erläutert werden.
11:40 - 12:00Die Geologie der Bohrungen Gt S6/17 und Gt S 7/20 in Schwerin-Lankow
Marco Wunsch1, Ingmar Budach1, Christian Buse1, Stefan Thiem1, Matthias Franz2
1Geothermie Neubrandenburg GmbH, Seestrasse 7A, 17033 Neubrandeburg; 2Georg-August-Universität Göttingen Goldschmidtstraße 3, 37077 Göttingen
In der Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns wurde Anfang 2021 die Bohrung Gt Schwerin 7/21 als zweite Bohrung einer geothermischen Dublette erfolgreich niedergebracht. Die gelungene Realisierung des Projektes beruht auf umfangreichen paläogeographischen Rekonstruktionen der Sandsteine des Norddeutsche Beckens, die im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte erarbeitet wurden. Diese Rekonstruktionen zeigten, dass die Voraussetzungen für eine geothermische Erschließung am Standort Schwerin äußerst günstig sind. Während des Oberkeupers (späte Obertrias), ca. 205 – 200 Millionen Jahre vor heute, bedeckte ein weitläufiges Fluss- und Deltasystem weite Teile des östlichen Norddeutschen Beckens, dessen Sedimente in der Exter-Formation zusammengefasst werden. Geeignete Sandsteine für eine hydrothermale Nutzung finden sich vor allem in den Ablagerungen der Fluss- und Deltarinnen sowie von Durchbruch-Schwemmfächern und Mündungsbarren. Während der Ablagerung der Unteren Exter-Formation (Postera-Schichten) lag das Stadtgebiet Schwerins im Bereich einer dieser Flussrinnen. In der Folge kam es zur Ablagerung eines Sandsteinreservoirs mit einer kumulativen Mächtigkeiten von über 40 m, welches exzellente hydraulische Eigenschaften aufweist. In der fündige Förderbohrung Gt S 6/17 wurde ein 49 m mächtiges Reservoir erschlossen. Die Fördertemperatur liegt bei ca. 56°C. Der Reservoirhorizont wurde vollständig gekernt und besteht aus einer Abfolge von Gleithangbündeln der mäandrierenden Flussrinne, die von Sanden der Deichbruchfächer unter- bzw. überlagert werden. Die einzelnen Gleithangbündel bestehen aus mäßig verfestigten Fein- bis Mittelsandsteinen, welche größtenteils durch eine geringmächtige Siltsteinlage bzw. Sandsteinlagen mit Siltsteinlinsen abgeschlossen sind. Die in diesem Jahr fertiggestellte Injektionsbohrung Gt S 7/20 zeigt nach ersten sedimentologisch-faziellen Auswertungen ein ähnliches Bild. Auch hier wurde das ca. 42 m mächtige Reservoir vollständig gekernt. Die angetroffenen Sandsteine zeigen in beiden Bohrungen exzellente hydraulische Kennwerte, mit Porositätswerten von bis zu 35 % und einer mittleren Reservoir-Durchlässigkeit von 6,2 Darcy, die in Pumpversuchen für beide Bohrungen ermittelt wurde.
12:00 - 12:20Technische Konzepte des Thermalwasserkreislaufes und der Wärmepumpenanlage des Geothermieheizwerkes Schwerin
Rafael Mathes, Frank Kabus
Geothermie Neubrandenburg GmbH, Deutschland
Am Standort Lankow betreiben die Stadtwerke Schwerin ein großes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk. Versorgt wird daraus aktuell die Grundlast eines Fernwärmenetzes mit einer gleitend gefahrenen Vorlauftemperatur von 130 °C … 80 °C und einer Rücklauftemperatur von 55 °C. Die Minimallast im Abnehmersystem beträgt ca. 10 MW. Große Teile davon werden in Zukunft auf effiziente Weise durch eine Wärmepumpenanlage mit geothermischer Wärmequelle abgedeckt. Außerdem speisen Blockheizkraftwerke, die der Erzeugung des Antriebsstromes der Wärmepumpen dienen, ihre Abwärme ebenfalls in das Netz ein. Aus der Bohrung Gt S 6/17 wird das Thermalwasser mit einem maximalen Volumenstrom von 150 m³/h und einer Bohrlochkopftemperatur von 55,5 °C mittels einer Tauchkreiselpumpe gefördert. Auf dem Bohrlochkopf sind Absperr- und Sicherheitseinrichtungen sowie Sensorik angeordnet, die in einer demontierbaren Bauhülle vor Witterungseinflüssen geschützt sind. In unmittelbarer Nähe des Bohrlochkopfs der Gt S 6/17 wird das Technikgebäude errichtet und mit einer erdverlegten Leitung an die Bohrung angeschlossen. Das Technikgebäude enthält neben der elektrischen Peripherie der Förderpumpe auch die Druck- und Vollhaltungseinrichtungen für den Thermalwasserkreislauf, die Grobfiltration des Thermalwassers und die Wärmeübertragung auf einen Zwischenkreislauf, der die geothermische Wärme zu den Wärmepumpen transportiert. Nachdem das Thermalwasser durch den Wärmeentzug auf 20 °C gekühlt wurde, gelangt es über eine erdverlegte Leitung vom Technikgebäude zum Standort der Injektionsbohrung. Hier wird es ein zweites Mal, nun mit sehr hoher Feinheit, gefiltert und in die Injektionsbohrung geleitet. Der Aggressivität des Mediums Thermalwasser und den Reinheitsanforderungen der Reinjektion angepasst, werden Polypropylenrohre eingesetzt und sämtliche Ausrüstungen in korrosionsresistentem Edelstahl bzw. mit Beschichtungen ausgeführt. Wegen des wassergefährdenden Charakters der Thermalsole (WGK1) wird darüber hinaus großer Wert auf die Dichtigkeit des Systems, die Vorhaltung entsprechender Auffangvolumina sowie auf die Leckageüberwachung aller Anlagenteile gelegt. Den Wärmepumpen steht aus dem Thermalwasser eine Wärmequelle von ca. 5.750 kW zur Verfügung. Sie werden bei einer Auslegungsvorlauftemperatur von 80 °C einen COP (coefficient of performance) von ca. 4,35 erreichen. Entsprechend beträgt die Heizleistung der Maschinen ca. 7.450 kW. Diese hohe energetische Effizienz wird neben der hochentwickelten Maschinentechnik durch eine Reihenschaltung der Wärmepumpen erreicht. Wärmequelle und Wärmesenke werden dabei gegenläufig geführt. Auf diese Weise arbeitet jede Wärmepumpe zum einen mit nur geringer Temperaturspreizung in ihrem Verdampfer und ihrem Kondensator und zum anderen ist der Temperaturhub gering, den jede der Maschinen leisten muss. Von diesem Temperaturhub ist aber die Arbeit in Form von elektrischer Energie für den Wärmepumpenverdichter abhängig. Je höher die Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und Wärmesenke, desto höher der Antriebsenergiebedarf und entsprechend geringer die Effizienz. In Schwerin ist die Reihenschaltung von vier Wärmepumpen geplant. Als Arbeitsstoff der Maschinen ist das synthetische Kältemittel R1234ze vorgesehen, das ein nur sehr geringes Treibhauspotenzial (GWP) von 7 aufweist. Wenn die Geothermische Wärmepumpenanlage im Frühjahr 2022 in Betrieb gehen wird, soll sie vom Jahreswärmebedarf von 136,6 GWh des Fernwärmenetzes am Standort mit ihrer Grundlastfahrweise ca. 44 % (60 GWh) decken.
12:20 - 12:40Die Energiewende vorantreiben, aber wie? Die Stadtwerke Schwerin zeigen wie es realisiert werden könnte!
René Tilsen, Benjamin Kielgas
Energieversorgung Schwerin GmbH & Co. Erzeugung KG, Deutschland
Die Stadtwerke Schwerin wollen die Energiewende, mit dem Ausbau von mehreren Geothermieanlagen in Schwerin, vorantreiben.
Wir als Stadtwerke Schwerin zeigen auf, wie wir die Geothermie in den Kontext mit der langfristigen Strategie zur Wärmewende in Schwerin setzen. Hier steht auch im Vordergrund, dass es mit geringen Aquifer-Temperaturen möglich ist die Umwelt zu schonen und den Ausstoß von CO2 erheblich zu reduzieren.
Hierzu stellen wir unser geplantes Dubletten-Konzept, die daraus resultierende nutzbare Energie für Schwerin und die CO2-Einsparung vor.
Bereits mit der ersten fertiggestellten Dublette und deren sehr positiven Ergebnissen, sind wir unserem Ziel der ersten Geothermieanlage in Schwerin ein großes Stück nähergekommen.
Unter der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern liegt ein Aquifer, der nach Studien, basierend auf den Daten der fertiggestellten Förderbohrung von 2019, ein theoretisches Ausbaupotential von bis zu 10 weiteren Geothermieanlagen aufzeigt. Schwerin verfügt demnach über eine lokale Energiequelle, die einen wesentlichen Beitrag zur Reduzierung der CO2 Emissionen für die Landeshauptstadt Schwerin leisten kann.
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde im Jahre 2020 ein Erzeugungskonzept für die Transformierung der Schweriner Fernwärmeerzeugung von fossilen Brennstoffen hin zu erneuerbaren Energien aufgestellt. In diesem Konzept spielt die Geothermie eine zentrale Rolle auf Grund ihrer Langzeitverfügbarkeit und konstanter Wärmeleistung.
12:40 - 13:00Die hydrothermalen Reservoire des Norddeutschen Beckens – Bausteine der Wärmewende
Matthias Franz1, Markus Wolfgramm2
1Georg-August-Universität Göttingen, Deutschland; 2Schwerin, Deutschland
Der tiefere Untergrund Norddeutschlands besitzt erhebliches Potenzial für die Gewinnung geothermischer Energie. Bislang konnte lediglich für hydrothermale Lagerstätten, im allgemeinen mesozoische Sandsteinreservoire, eine wirtschaftliche Erschließung nachgewiesen werden. So wurden bereits in den 1980er Jahren an den Standorten Neubrandenburg, Neustadt-Glewe und Waren hydrothermale Sandsteinreservoire des Rhäts durch Bohrungsdubletten erschlossen, die seitdem zur grundlastfähigen kommunalen Wärmeversorgung beitragen. Wie diese Beispiele zeigen, setzt eine wirtschaftliche Nutzung hohe Volumenströme voraus, die ohne weitere ertüchtigende Maßnahmen des Reservoirs realisiert werden müssen. Somit ist eine sehr gute Reservoirqualität die wesentliche Bedingung und der genauen Reservoirprognose kommt eine entscheidende Bedeutung bei der Erschließung zu. Genau das hat sich aber im Nachgang an die erfolgreiche Inbetriebnahme in den 1980er Jahren als Problem herausgestellt. Auch wenn das Vorhandensein von Sandsteinreservoiren in den sechs mesozoischen Hauptreservoiren grundsätzlich bekannt war, bereitete deren standortbezogene Prognose immer wieder Probleme. Dies lag vor allem daran, dass die fazielle Ausbildung und Verbreitung der Sandsteinreservoire, wie auch deren Reifung im Rahmen diagenetischer Prozesse nur ungenügend bekannt waren.
Durch die FuE-Verbundvorhaben Sandsteinfazies und GeoPoNDD konnten die Genauigkeit standortbezogener Reservoirprognosen erfolgreich verbessert und die Fündigkeitsrisiken verringert werden. Im Rahmen der Vorhaben wurden in den Jahren 2011–2019 umfangreiche Bohrungsdaten der sechs mesozoischen Hauptreservoire durch einen interdisziplinären Bearbeitungsansatz neu bearbeitet. Insgesamt wurden 21 Reservoirhorizonte vom Mittleren Buntsandstein bis zur Unterkreide detailliert hinsichtlich ihrer faziellen Ausbildung und hydraulischen Qualität untersucht. Die Ergebnisse sind im Kartenwerk geothermischer Reservoire Norddeutschlands zusammenfassend dargestellt und bildeten die entscheidende Voraussetzung für die erfolgreiche Reservoirerschließung am Standort Schwerin-Lankow. Da das Kartenwerk über das Geothermische Informationssystem des LIAG in Hannover einer breiten Öffentlichkeit zugänglich ist, können in Norddeutschland nach dem Vorbild Schwerin-Lankow an weiteren Standorten Reservoire erschlossen werden.
Der Vortrag stellt die wesentlichen Ergebnisse der Projekte Sandsteinfazies und GeoPoNDD vor und erläutert die Prozesskette aus primärer Sedimentfazies, sekundärer diagenetischer Überprägung und Beckenentwicklung, die Bildung und Qualität hydrothermaler Reservoire beeinflusst. Daraus ergeben sich Ableitungen, in welchen Regionen Norddeutschlands bevorzugt hochqualitative Reservoire vorhanden sind. Unter Einbezug des laufenden FuE-Verbundvorhabens mesoTherm werden weitere Methodiken vorgestellt, um das Fündigkeitsrisiko bei der Erschließung hydrothermaler Reservoire in mittleren Tiefen (Mitteltiefe Geothermie) weiter zu minimieren. Mit Blick auf das günstige Verhältnis von Investitionskosten und wirtschaftlichem Ertrag sind diese Reservoire wichtige Bausteine der Wärmende in Norddeutschland.
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